Nebelschwaden wabern über die hügelige Landschaft und verwehren uns leider die sonst spektakuläre Panoramaaussicht auf der Alp Hinterarni. Pünktlich zum Mittagessen treffen wir die Familie Reist und ihre Helfer in der gemütlichen Alpwirtschaft auf 1220 m ü.M. Bereits in der dritten Generation wirkt die Familie als Hirten und Wirte für die Hinterarnialpgesellschaft.
Wir sind oberhalb von Wasen im Emmental und dürfen bei der diesjährigen Alpabfahrt mit dabei sein. Am Vorabend verwandelt sich der Schuppen in einen Blumenladen. Fleissige Hände zaubern mit frischen Schnittblumen den Schmuck für die Rinder. Kein Stück gleicht dem anderen. Sei es an den grossen Treicheln, den Halftern oder den Riemen um den Bauch der «Gutschtis». So nennen die Emmentaler ihre Rinder. Mit 113 von ihnen macht sich die Familie Reist an der Emmentaler Alpabfahrt auf den Weg zurück ins Tal nach Sumiswald.
Frühmorgens werden die Rinder im Stall für den grossen Tag verschönert. Auch die Menschen haben sich schick gemacht und die Nervosität steigt mit jeder Minute. Nachdem sich die Sonne noch beim Aufgang zeigt, hat wieder feiner Nebel die Alp eingehüllt. Kurz vor acht heisst es Abmarsch für die erste Gruppe. Die Gruppe vom anderen Stall macht sich auch auf den Weg zur Alp. Zuerst hört man nur das Gebimmel der Treicheln und erst später tauchen sie aus dem mystischen Nebel auf. Beide Gruppen vereinen sich unterwegs nach Hornbach.
Die erste Gruppe von der Familie Wymann von der Alp Rindergrat zieht dann bereits mit ihren 115 Tieren durch das Dorf Wasen. Gefolgt von der Familie Wüthrich von der Alp untere Kühbisegg und der Familie Jutzi von der Alp Vorderried. Als vierte von den insgesamt acht Gruppen die bis nach Sumiswald abfahren, zieht die Alp Hinterarni durchs Dorf.
Am Weges- und Strassenrand wartet das Publikum schon mit Fotoapparaten und gezückten Handys auf die insgesamt elf Gruppen. Mehr als 850 Rinder werden an diesem Tag die Alpen verlassen und ins Tal gezogen sein. Besonders schön ist schliesslich die Ankunft in Sumiswald. Mit 170 Tieren bildet die Alp Lüderen der Familie Meister den beeindruckenden Abschluss der diesjährigen Emmentaler Alpabfahrt und zusammen feiert man in den Festwirtschaften den gelungenen Anlass. Es lohnt sich wirklich sehr, am Freitag vor dem eidgenössischen Bettag ins Emmental zu reisen und diese ursprüngliche Tradition hautnah zu erleben.