Kaum eine Stadt ist so überwältigend wie Jerusalem. Sie beherbergt mit der Klagemauer, dem Felsendom und der Grabeskirche die Heiligen Stätte von drei Weltreligionen. Ihre 3000-jährige Geschichte ist allgegenwärtig. Bevor die Pandemie die Welt auf den Kopf stellte, konnte ich diesen historischen Ort besuchen. Die Heilige Stadt hat mich vom ersten Moment an fasziniert und gleichzeitig verwirrt. Zum Beginn der Adventszeit in diesem Corona-Jahr möchte ich gerne meine Eindrücke teilen.

Aussicht zum Tempelberg

Bahamas Martini

Der Felsendom mit seiner goldenen Kuppel gilt als Ort des Gebets und ist keine Moschee.

Den ersten Blick vom Ölberg auf die gegenüberliegende Altstadt werde ich nie vergessen. Von einer gewaltigen Stadtmauer geschützt, gleicht sie einem Dächermeer aus dem der Felsendom auf dem Tempelberg heraussticht. Der Himmel ist bei meinem Besuch wolkenverhangen, doch wenn die Sonne sich durchdrängt erstrahlt die goldene Kuppel förmlich.

Orientalisches Labyrinth

Allerlei Krimskrams gibt es im Suk im arabischen Viertel der Altstadt zu kaufen.

Nach dem Spaziergang durch die Gärten von Gethsemane ist es endlich soweit. Der Bus bringt mich näher zur Altstadt. Aufgeregt durchquere ich das Löwentor an der östlichen Mauer, um in die Heilige Stadt zu gelangen. Hier befindet sich das muslimische Viertel. Mit all seinen Gassen und Suks erinnert es mich an ein Labyrinth.

Schauplätze aus der Bibel

Die Ausgrabunsstelle mit dem Teich Bethesda befindet sich neben der St.-Anna-Kirche.

Ohne den Reiseleiter Itzik wäre ich schlicht verloren. Zielstrebig führt er mich bis zur St.-Anna-Kirche. Sie stammt noch aus der Zeit der Kreuzfahrer. Gleich nebenan befindet sich das Ausgrabungsfeld mit dem Teich Bethesda, wo Jesus Christus einen Lahmen heilte. Bis zum Beginn der «Strasse der Schmerzen» sind es nur wenige Schritte.

Auf den Spuren vom Heiland

Eines der vielen Souvenir-Geschäfte entlang der Via Dolorosa.

In der Via Dolorosa ist überraschend wenig los. Kein Mensch weit und breit, der mit einem Kreuz geschultert unterwegs ist. Gelangweilt sitzen Händler vor ihren Geschäften. Die Auslage ist vielfältig. Vom Priestergewand bis zur Dornenkrone wird alles geboten, was die Pilger an die Reise erinnern soll. Ich entdecke einige Asiaten und Südamerikaner, die an den Stationen der Wallfahrtsstrasse sichtlich berührt anhalten und beten.

Die Klagemauer der Juden

Kurz vor dem Sonnenuntergang versammeln sich die Gläubigen vor der Klagemauer.

So viel Zeit habe ich leider nicht. «Macht schnell, der Zettel muss unbedingt vor Sonnenuntergang in die Mauer gesteckt werden», mahnt mich Reiseleiter Itzik Shani. Wir sind nicht die einzigen, die mit raschem Tempo unterwegs sind. Aus allen Ecken und Gassen strömen die Juden zu ihrem bedeutendsten Heiligtum. Vor der Klagemauer werden Männlein und Weiblein aber strickte getrennt. Auf der linken Seite beten die Herren der Schöpfung und rechts die Frauen

Botschaften für den Himmel

In den Ritzen der Klagemauer stecken kleine Zettel der Gläubigen.

Gemeinsam versuchen sie einander lautstark zu übertrumpfen. Zwischen den grossen Kalksteinquadern der Mauer stecken sie kleine Zettel mit Fürbitten oder Wünschen. «Ein Zwiegespräch mit Gott zum Ortstarif», erklärt mir der witzige Itzik, während ich staunend das Geschehen beobachten.

Treffpunkt der Juden, Christen und Muslime

Faszinierende Aussicht auf die Klagemauer und den Felsendom während der blauen Stunde.

Pünktlich zum Sonnenuntergang mischt sich der Gebetsruf des Muezzins in das nicht nur visuelle, sondern auch akustische Schauspiel. Wir verlassen den Platz und machen uns auf den Weg zum Heiligsten Ort der Christenheit, denn auch hier gelten «Öffnungszeiten».

Heiligster Ort der Christenheit

In der Engelskapelle im Herzen der Grabeskirche wird das Heilige Grab von Christen aus der ganzen Welt besucht.

Die Schlüssel der Grabeskirche werden seit 637 von islamischen Torwächtern verwaltet. Sie öffnen jeden Morgen das von sechs christlichen Konfessionen geteilte Heiligtum und schliessen es am Abend wieder ab. Ein Ritual, das man wie die «Kvittelchen» in die Klagemauer zu stecken nicht verpassen sollte!

Barbara Blunschi’s Reisetipps

  • Anreise: Linienflug nach Tel Aviv. Von Tel Aviv aus erreichen Sie das 70 km entfernte Jerusalem mit dem Zug oder Bus.
  • Wichtig: Von Freitagabend bis Samstagabend steht am Schabbat der öffentliche Personenverkehr still.
  • Beste Reisezeit: Jerusalem liegt in den Bergen auf 800 m Höhe und es kann im Winter auch manchmal schneien. Dafür ist der Andrang deutlich kleiner als im Frühling oder Herbst.
  • Kochkurs in Jerusalem: Ruth Yudekowitz bietet mit ihrer Firma Shuk & Cook einen grossartigen Einblick in die israelische Kochkunst, der mit dem Besuch des Jerusalemer Mahane Yehuda Markts beginnt und in der heimischen Küche endet. Von diesem Erlebnis berichte ich in einer Kolumne in der WELT.
  • Informationen/Buchung: Dieser Artikel entstand dank der grosszüggigen Unterstützung von Kuoni Reisen/Dertour Suisse. Ausführliche Informationen zu Israel bietet die Website Israel Tourismus.
  • Noch mehr Beiträge im Blog: Ich liebe die Adventszeit und besuchte im letzten Jahr den Christkindlmarkt in Nürnberg. Wer Krippen liebt wird in meinem Beitrag zu den Weihnachtstraditionen in Tirol fündig. Ein unvergessliches Erlebnis war meine Reise zu den äthiopisch-orthodoxen Christen und den Felsengräbern in Äthiopien.