Im Sonnenlicht strahlen die imposanten Fünfingerstöcke. Doch noch strahlender als der Gebirgszug in den Urner Alpen sind an diesem Tag die Augen der Bauern und Helfer. Für Benno Nauer ist es der sechste Sommer, den er auf der Alp Hinterfeld verbringen durfte. Wir treffen ihn am Vorabend des Alpabzuges. Das ist sein Höhepunkt des Alpsommers und er freut sich sichtlich darauf. Er meint, dass die farbenprächtig geschmückten Kühe und die schönen Treicheln das Spezielle in Wassen sind.
Doch bis das Vieh hergerichtet sein wird, ist noch ein grosses Stück Arbeit angesagt. Zwischen 65 und 70 Stück Vieh werden frühmorgens vor dem Stall aufgereiht und aufwändig geschmückt. Unter der Anleitung von Walter Kempf und Paul Epp, die sich bereits seit 27 Jahren um den Kuhschmuck kümmern. Dahinter steckt viel Herzblut aber auch viel Arbeit, die auf den ersten Blick gar nicht auffällt. Umso mehr freut es die Männer, wenn in Wassen viele Touristen und Gäste den Alpabzug sehen.
Tatsächlich ist der Andrang im kleinen Dorf Wassen gross. Während die Sennten die acht Kilometer lange Strecke auf dem alten Sustenweg unter die Füsse und Hufe nehmen, werden die Einheimischen und Gäste kurzweilig unterhalten. Auf dem Älpler- und Handwerksmarkt können regionale Produkte gekauft werden und Fahnenschwinger zeigen ihr Können, während sie musikalisch von einer Alphorngruppe begleitet werden. Auch ein Jodlerklub ist auf dem Platz und geniesst den Applaus des Publikums. Eine Trychlergruppe stimmt mit grossen Treicheln auf die Geräuschkulisse der Sennten ein.
Die Kühe sind aber die eigentlichen Stars des Tages. Für den Alpabzug wird sogar die Durchfahrt durchs Dorf während mehr als zwei Stunden gesperrt. So kommen ein paar Auto- und Motorradfahrer unfreiwillig in den Genuss der Veranstaltung. Dafür können die Einheimischen den Moment geniessen, wo mal nicht der übliche Strassenverkehr durchs Dorf rauscht. An diesem Tag säumen zahlreiche Besucher die Gotthard- und Sustenstrasse und fotografieren begeistert die beiden Sennten, die kurz vor Mittag im Dorf ankommen. Sogar zwei Lamas, Schafe und eine Ziegenherde begleiten die Kühe. Danach wird in den Festwirtschaften bei lüpfiger Musik der erfolgreiche Alpabzug gefeiert.